Herausforderungen und Chancen in der Arbeit mit Englisch sprechenden KlientInnen
Sie beraten KlientInnen auf Englisch? Dann sind Sie bestimmt schon der ein oder anderen Herausforderung begegnet. Vielleicht ist Ihnen auch bewusst geworden, welche Chancen sich daraus ergeben. Hier sind einige meiner Erfahrungen:
Herausforderungen
Für viele KlientInnen ist Englisch eine Zweit- oder Drittsprache. Dies kann dazu führen, dass sie Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken und Gefühle auf Englisch auszudrücken. Das Gespräch verläuft holprig und erfordert mehr Zeit. In diesen Fällen passe ich Sprache und Verhalten an. Wie das geht und was Sie konkret tun können, sehen Sie in diesem Artikel.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass es einigen KlientInnen schwerfällt, sich zu öffnen. Dabei geht es oft um kulturelle Prägungen und damit verbundene Wahrnehmungen von Therapie und Beratung. So wird in einigen Kulturen skeptischer auf Hilfen von außen geblickt. Der Anspruch ist, dass private oder familienbezogene Probleme innerhalb der Familie gelöst werden. Sucht jemand trotzdem die Hilfe von außen, kann dies zu schwierigen Gefühlen sowie inneren und äußeren Konflikten führen. Misstrauen und Ablehnung gegenüber Institutionen und Behörden basieren auch oft auf konkreten Erfahrungen, zum Beispiel im Herkunftsland oder in einem Transitland.
Für Beratende ist es hilfreich, ein Bewusstsein für mögliche kulturelle Prägungen und Erfahrungen zu entwickeln und diese im Gespräch zu berücksichtigen. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich, die Wahrnehmungen des Klienten zu erfragen und Ängste und Vorbehalte offen anzusprechen.
Chancen
Darüber hinaus ergeben sich wunderbare Chancen durch die Arbeit mit englischsprachigen KlientInnen. Eine Chance besteht darin, dass Sie als TherapeutIn oder BeraterIn angeregt werden, Ihre interkulturellen Kompetenzen zu erweitern und so ein tieferes Verständnis für die Erfahrungswelten der KlientInnen zu entwickeln. Sie können dazu beitragen, das Vertrauen und die Bindung zu Ihrem Klienten zu stärken, indem Sie sich für die Kultur des Klienten interessieren und eine offene, akzeptierende Haltung einnehmen.
Darüber hinaus bietet die Arbeit mit englischsprachigen KlientInnen für Sie als TherapeutIn oder BeraterIn einen Anlass, um Ihre sprachlichen Fähigkeiten zu entwickeln und Ihren Wortschatz im Englischen zu erweitern. Dies erleichtert den Zugang zu Menschen anderer Herkunft und schafft neue Perspektiven auf die Besonderheiten der eigenen Kultur(en). Ein Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist, da der ein oder andere Glaubenssatz hier auf den Prüfstand gerät. Doch die Reise lohnt sich: Sie führt zu tieferer Selbsterkenntnis und ist mitunter amüsant, da sie auch Kurioses zutage fördert.:)
Fazit
Wenn Sie bereit sind, sich auf diese Abenteuer einzulassen, haben Sie als BeraterIn viel zu gewinnen! Sie gewinnen Einblicke in neue gedankliche Universen und erweitern Ihre eigene Welt der Bilder und Ausdrucksformen. Sie haben die Chance, von Ihren KlientInnen zu lernen – nicht nur über andere Menschen und Kulturen, sondern auch über sich selbst.
Nadine Seiler, April 2023
Nadine Seiler
Ich bin Sprachtrainerin für die psychosoziale Beratung auf Englisch sowie Herausgeberin und Autorin von Sprachführern zur professionellen Beratung auf Englisch, u.a. "Helfende Gespräche auf Englisch. Der umfassende Sprachführer für psychosoziale und pädagogische Arbeitsfelder".